1986 gründete Manfred Zieher zusammen mit seiner Frau Christa Zieher seine Firma, die zuerst noch MAC hieß. Zu Beginn waren viele klassische HoReCa* Artikel im Sortiment. In den Folgejahren spezialisierte sich Zieher auf eigenes Design und hochwertige Produkte für Spitzenrestaurants. Nach 35 Jahren übergibt er die Firma an seine Kinder. Wir haben mit ihm über die Anfänge seines Unternehmens und entscheidende Erlebnisse gesprochen.
Herr Zieher – wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?
Ich war 10 Jahre lang für WMF im Verkaufsgebiet Nord-Ost-Bayern tätig. Das waren damals gemeinsam mit dem Saarland von 36 Verkaufsgebieten die zwei mit der geringsten Kaufkraft im Hotel- und Gastronomiebetrieb . In unserer Umgebung gibt es bis heute kein 5-Sterne Hotel – und doch sind diese Hotels unser Spezialgebiet geworden. In meiner Zeit in Festanstellung habe ich gelernt, was Marken bewerkstelligen können und wie die Preisgestaltung namhafter Marken funktioniert. Nach 10 Jahren in dem Job habe ich mich dann entschieden, dass ich eine eigene Firma gründen will, in der ich eigene Ideen umsetzen kann. Ich liebe das Risiko – wenn es begrenzt ist. Darin liegt schließlich die Chance. Mein Bestreben war immer, ein eigenes Sortiment zu haben und nicht andere nachzuahmen – sondern nachgeahmt zu werden. Vor ein paar Jahren hat mir ein geschätzter Mitbewerber auf einer Reise gesagt: „Ich habe noch nie eine Firma gesehen, die so oft kopiert worden ist, wie Zieher“. Ich wollte immer mit Ideen und Entwicklungen vorne mit dabei sein. Neben einem außergewöhnlichen Design kann ein zusätzlicher Nutzen beim Gebrauch oder der Funktion eines neuen Produkts einen Vorteil gegenüber bestehenden, marktgängigen Produkten bieten. Das sieht man z.B. an unserem neuen Dekanter Doppio. Innerhalb kürzester Zeit wurde er schon hunderte Male verkauft. Neben einem ansprechenden Design und hoher handwerklicher Qualität bietet er auf zwei Ebenen eine große Oberfläche. Das ist für eine schnelle Aufnahme der Luft, z.B. bei Rotweinen im Restaurant, eine neue, wertvolle, Verbesserung des Weingenusses.
Wie wurden in den ersten Jahren die Strukturen zu einem Unternehmen mit mittlerweile fast 30 Mitarbeitern geschaffen? Welche Rolle spielte Ihre Frau Christa in der Firma?
Meine Frau ist gelernte Krankenschwester. Da wir in der Gründungsphase auch schon unsere beiden Söhne Dominik und Oliver hatten, habe ich ihr vorgeschlagen, statt ihres Jobs bei uns die Büroarbeiten zu übernehmen. Das ging von zuhause aus. Zu Beginn hatten wir noch eine weitere Mitarbeiterin für Versand & Logistik angestellt. Durch staatlich vorgegebene Strukturen hat sich der Rest schnell ergeben. In der Buchhaltung ist meine Frau Christa bis heute unabkömmlich. Sie ist heute von der Qualifikation her Bilanzbuchhalterin. Zu den Strukturen im Handel: Ich hatte Ende der 80er Jahre durch Zufall einen 65-jährigen Asien-Importeur kennen gelernt, der in den Ruhestand gehen wollte. Er hatte einige Hotel- und Gastronomieartikel im Sortiment. Seinen Restbestand haben wir ihm abgekauft. Auf einer Reise mit ihm habe ich seine besten Lieferanten kennengelernt. So ist unser Bezug zu Asien entstanden. Unsere Firma haben wir 1986 in Bayreuth gegründet und sind im Jahr 2000 nach Himmelkron umgezogen.
2019 war Zieher mit zwei großen Messeständen und etlichen Werbebannern auf der Ambiente in Frankfurt vertreten. Auf diesem historischen Foto von 1996 ist der Zieher Stand nur ein Holz-Regal. Wissen Sie noch, bei welcher Ausstellung das war?
Die Firma hatte zu ihren Anfangszeiten mit einer Marke noch nichts zu tun. Damals gab es viele Hersteller, die in Asien Massenware für die Gastronomie produziert haben. Von diesen Herstellern habe ich versucht, die besten zu finden, die top Qualität lieferten und auch etwas teurer sein durften. Das war extrem schwierig. Wir haben um 1986 auch viel in Europa eingekauft. Eigenes Design war damals aber nicht möglich – wegen der hohen Kosten für entsprechende Werkzeuge und der fehlenden Designer. Das auf dem Foto muss eine Ausstellung von einem Fachhändler gewesen sein. Im C&C Bereich hat Edeka z.B. Hausaustellungen gemacht, in der jeder Lieferant eine winzige Ecke hatte. Eine Messe war das damals nicht.
Sie waren in den letzten Jahren viel auf der ganzen Welt unterwegs. Welche Reise ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Stimmt, nach 33 Jahren hat Corona letztes Jahr meine Reisezeit beendet. Da gibt es viele einschneidende Erlebnisse zu erzählen. Meine erste Reise durch fünf oder sechs asiatische Länder hat mich aber besonders fasziniert. Man konnte da praktisch nur in 5-Sterne Hotels übernachten. Ich erinnere mich z.B. an Indien: Dort waren die Zimmer dreimal so groß wie hierzulande zu einem Bruchteil des Preises. Tief beeindruckt hat mich vor allem der Service. Es war unvorstellbar, in Europa einen derartigen Luxus in Sachen Gästebetreuung zu bekommen. Die besten Restaurants dort hatten feines Geschirr, das nicht stapelbar, nicht praktisch, aber großartig in der Präsentation für den Gast war. In China und Korea hat mich außerdem das schnelle Wachstum beeindruckt. Inzwischen war ich bestimmt 80 oder 90 Mal in Hongkong. In dieser Zeit war auch mein Freund Thomas Dötzer von der Dötzer Restauration in Bayreuth oft mit mir weltweit unterwegs. Er war Kritiker und auch Coach in Sachen praktische Anwendung für unsere Produkte.
Zieher ist als Lieferant der Spitzengastronomie von der Corona Krise betroffen. 2021 gibt es zum ersten Mal nach rund 30 Jahren keinen neuen Hauptkatalog. Wie schätzen Sie als Brancheninsider die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die HoReCa Branche ein? Wird es vielleicht für lange Zeit keine klassischen Buffets mehr geben?
Im Sommer letzten Jahres waren die Buffets in der Tat stark eingeschränkt. Für meine Vorstellung von Hotellerie und unserer Zielgruppe ist es aber gar nicht so schlecht, wenn es langfristig wieder mehr Service am Platz gibt – auch wenn es dann etwas teurer wird. Das sollte für unsere Zielgruppe innerhalb der Branche „Top-Gastronomie“ kein Thema sein. Die Voraussetzung ist aber grundsätzlich, dass wir weltweit mit Impfungen schnell vorankommen, um Gastronomie und Hotellerie überhaupt wieder eröffnen zu können.
Im Katalog von 1991 geht es ganz generell um HoReCa Ausstattung. „Reserviert“ Schilder, einfache Weingläser und Besteck waren im Sortiment. Wann kam der Schwenk zur Luxusgastronomie als Zielgruppe?
Diese vergleichbaren Artikel, die wir in den späten 80er Jahren hatten, haben wir an C&C Märkte für Gewerbetreibende verkauft. Das war in dieser Zeit unsere Zielgruppe und dort waren wir gelistet. Eine Besonderheit von Zieher, die uns von Mitbewerbern abgehoben hat, war, dass wir schon immer Sonderwünsche erfüllen konnten, z.B. bestimmte Schilder oder Ausführungen. Es war bei kleinen Auflagen immer unser Ziel das möglich zu machen. Vieles ist damals auch von Wettbewerbern kopiert worden. Es war ab 2006 revolutionär, eigenes Design zu haben. Von Anfang an hat sich mein Sohn Oliver darum gekümmert. In 5-Sterne Hotels habe ich gelernt, dass für die top Gäste im Executive Floor und den Suiten fast alles getan wird. Vom mitgegebenen Geschenk bis zu teuersten Einrichtungsgegenständen. Da mein Sohn das so gut konnte, wollten wir ihn auch als Koordinator für andere Designer einsetzen. Unser revolutionäres Design begeistert unsere Kunden bis heute. So umfangreich wie bisher wird der Katalog übrigens nicht mehr: Wir nutzen Corona, um unser Sortiment zu straffen, insbesondere bei den vergleichbaren Artikeln und wollen uns noch fokussierter aufstellen.
Die Weingläser „Vision“ sind die Stars auf Social Media. Durch die exklusive Weinglasserie gewann Zieher in den letzten Jahren Zugang zu einer neuen Kundenschicht (B2C). Warum ist das wichtig für die Marke Zieher?
Das hat mit Überlebensfähigkeit zu tun. Vision ist so hochexklusiv und filigran, dass der Hotelbereich hier nur mit wenigen Prozenten am Umsatz beteiligt ist. Vielmehr sind es hier Weinprofis, die vom Produkt überzeugt sind. Die erreicht man am besten über den Fachhandel und über Onlinekanäle. Wir haben eigens dafür auch unsere Abteilung Retail eröffnet. Heute muss jede Marke selbstständig am Markt vertreten sein. Sie muss sich erklären und den Endkunden begeistern. Social Media ist für mich dafür die wichtigste Errungenschaft der letzten 10 Jahre und unabkömmlich geworden. Corona hat Firmen, die dort aktiv sind, geholfen die Umsätze teilweise erheblich zu steigern.
Als Markenkern haben Fans und die Belegschaft von Zieher „Extravagant“ bestimmt. An welchem Zieher Artikel wird das Ihrer Meinung nach besonders deutlich?
Unsere Weinglasserie Vision ist in vielerlei Hinsicht extravagant. Die Fertigung ist extrem kompliziert, nur wenige Menschen weltweit beherrschen die Glasbläserei so perfekt. Mit Corona kommt jetzt noch eine regelrechte Verknappung hinzu. Die Preise für die Fertigung steigen und wir können nicht auf andere Produktionen ausweichen. So gesehen ist Vision übrigens richtig preiswert.
Was ist ihr Lieblingsprodukt von Zieher?
Unser Weindekanter Star! Kein Produkt war so herausfordernd und hat uns so viel abverlangt eine perfekte Fertigung zu finden. Jeder fragt sich, wie man den Stern in den Dekanter bekommt.
Zieher wird im Frühjahr 2021 eine Barserie auf den Markt bringen. Warum haben Sie sich für eine Barserie entschieden?
Es war mein Vorschlag, entschieden haben es unsere Kinder. Da auch diese Serie wieder extravagant und exzentrisch ist, bin ich gespannt, wie die Serie angenommen wird. Wie viele unserer Artikel ist sie am Rande der Funktionalität. Damit sind wir manchmal auch auf die Nase gefallen – oft führte das aber auch hervorragenden Ergebnissen.
Das Interview führte Matthias Luft, Social Media Manager bei Zieher
*HoReCa: Hotel, Restaurant, Catering
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